Auftritt von Alexey Miller bei der Podiumsdiskussion „Geoökonomie großer Infrastrukturprojekte“ im Rahmen des Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums
PRESSEMITTEILUNG
Pressemitteilung
Sehr geehrte Kollegen!
Ziel meines Auftritts ist es, aufzuzeigen, dass das Projekt Nord Stream 2 ein höchsteffizientes Geschäftsvorhaben ist. Und dies tun wir anhand von sieben einfachen und sehr verständlichen Argumenten.
Wenn das Projekt Nord Stream zur Sprache kommt und dessen Wirtschaftseffizienz analysiert wird, vergleicht man meistens nur den Offshore-Teil dieses Projekts – die Gaspipeline durch die See aus Russland nach Deutschland. Und die Wirtschaftskennzahlen dieses Abschnitts werden mit anderen Varianten von Routen für russische Gaslieferungen nach Europa verglichen. Dieses Projekt ist jedoch weitergefasst zu betrachten: Es gilt, jene Veränderungen zu analysieren, die sich an der Ressourcenbasis in Russland und an Gastransportrouten im russischen Hoheitsgebiet vollziehen, und zu betrachten, wie sich die Situation auf dem europäischen Markt wandelt.
Das erste Argument läuft darauf hinaus, dass wir alle eine Verlagerung der Ressourcenbasis der Gazprom von der Nadym-Pur-Tas-Region auf die Halbinsel Jamal beobachten. Gazprom hat ein neues Gasförderungszentrum auf der Halbinsel Jamal geschaffen. Und wir sehen, dass die Ressourcenbasis der Gazprom sich immer weiter nordwärts verlagert. Indessen ist Gazprom derzeit dabei, ein System von Ferngasleitungen Bowanenkowo – Uchta und Bowanenkowo – Uchta 2, Uchta – Torschok und Uchta – Torschok 2 zu bauen, die es ermöglichen, das Gas von der Halbinsel Jamal für Verbraucher in Russland und im Ausland zu befördern. Wir sehen, dass sich das Verhältnis der Fördermengen an unseren beiden größten Ressourcenstandorten in den nächsten 25 Jahren diametral verändern wird. Dies wirkt sich maßgeblich auf die Lieferströme sowohl bei Gasexporten als auch auf dem Binnenmarkt aus.
Das zweite Argument besteht darin, dass wir neben einer Verlagerung der Ressourcenbasis der Gazprom von Nadym-Pur-Tas in Richtung Jamal auch eine Verlagerung der Exportströme in Europa beobachten. Es zeichnet sich ein rasanter Rückgang der eigenen Gasfördermengen in der Europäischen Union ab. Und vor allem betrifft dies den Gasverbrauch im Nordwesten Europas und in jenen Ländern, die als größte Verbraucher gelten. Wir sehen eine Bestätigung dafür in der Dynamik von russischen Gaslieferungen. Die Nachfrage nach russischem Gas nimmt in erster Linie in Nordwesteuropa zu. Ich möchte zwei Dinge hervorheben: Dies sind Länder, die traditionell als große Gasverbraucher gelten, und zweitens sind diese Länder auf die europäische Ressourcenbasis angewiesen, die eine Schrumpfung der eigenen Förderung aufweist. Dementsprechend erfolgt eine Verlagerung der Exportströme vom zentralen Transportkorridor in nördlicher Richtung.
Wenn man unsere bestehenden und zukünftigen Gastransportrouten nicht aus Sicht der politischen Weltkarte, sondern auf Aufnahmen aus dem Weltraum betrachtet, so erkennt man, dass unsere neue Ressourcenbasis – Jamal – und unser wichtigstes Verbraucherzentrum – der Nordwesten Europas – in Wirklichkeit de facto durch eine gerade Linie verbunden sind. Und die Gaspipeline Nord Stream 2 stellt praktisch eine direkte Fortsetzung des Ferngasleistungssystems Bowanenkowo – Uchta, Uchta – Torschok dar.
Unser drittes Argument dazu, dass die Nord Stream 2 ein höchsteffizientes Geschäftsprojekt ist, besteht darin, dass dies die kürzeste Exportroute von unserer russischen Exportbasis auf der Halbinsel Jamal zu den Verbrauchermärkten ist. Sie sehen, dass zwischen Jamal und Greifswald praktisch eine gerade Linie eingezeichnet ist. Wenn wir betrachten, wie das Gas derzeit nach Deutschland durch das Hoheitsgebiet der Ukraine geliefert wird, erkennen wir, dass es eigentlich eine Art Bogen macht – einen Bogen, der im Vergleich zum Nordkorridor fast 2.000 Kilometer länger ist. Diese Transportroute für Gasexporte ist fast anderthalbmal so lang wie der Nordkorridor, zu dem auch die Gaspipeline Nord Stream 2 gehört. Somit ist der Nordkorridor von der Halbinsel Jamal bis Greifswald die kürzeste direkte Strecke, und zwar eine transitfreie Strecke.
Viertes Argument. Das Ferngasleistungssystem, das Gazprom gegenwärtig vom Gasförderungszentrum auf der Halbinsel Jamal baut, ist das weltweit modernste Gastransportsystem. Dank einer engen Zusammenarbeit mit unseren Rohrbaubetrieben stellen wir heutzutage in diesen Ferngasleitungen einen Betriebsdruck von 120 Atmosphären sicher. Und dies ist eine grundsätzlich andere Situation im Sinne der Effizienz von Gastransporten. Eine grundsätzlich andere Situation gegenüber dem zentralen Transportkorridor, durch den das Gas derzeit auf dem Transitweg durch das Hoheitsgebiet der Ukraine an die europäischen Märkte geliefert wird. Das Ferngasleitungssystem ist nicht gestern erst entstanden, seinerzeit war es ebenfalls modern. Jene Ferngasleitungen, die in diesem Korridor funktionieren, sind jedoch für einen Betriebsdruck von 55 bis 75 Atmosphären ausgelegt.
Und hier muss natürlich hervorgehoben werden, dass der neue Nordkorridor dank der niedrigen spezifischen Betriebskosten und unter anderem durch den Gasverbrauch für den Eigenbedarf hinsichtlich der Gastransporte wirtschaftlich weitaus effizienter ist im Vergleich zum bestehenden Korridor für Gaslieferungen durch Uschgorod und im Vergleich zum zentralen Transportkorridor durch das Hoheitsgebiet Russlands. Die Effizienz der Gasleitungen des Nordkorridors ist sechs Mal höher gegenüber Ferngasleitungen mit einem Betriebsdruck von 55 Atmosphären und drei Mal so hoch, wie die Effizienz von Ferngasleitungen mit einem Betriebsdruck von 75 Atmosphären.
Das fünfte Argument läuft darauf hinaus, dass wir alle aufgrund Verlagerung der Ressourcenbasis von Nadym-Pur-Tas auf die Halbinsel Jamal und aufgrund einer Verlagerung von Transportströmen durch russisches Hoheitsgebiet ein grundsätzlich anderes Schema der Transportströme im Inland und innerhalb des Einheitlichen Gasversorgungssystems in der Russischen Föderation erhalten. Und dies ist für uns ein grundsätzlich wichtiger Punkt. Ich möchte betonen, dass dies ein grundsätzlich wichtiger Aspekt ist, der bereits dazu geführt hat, dass Gazprom ein Programm zur Kostenoptimierung für den zentralen Korridor gestartet hat.
Was bedeutet das? Das bedeutet, dass im zentralen Korridor angesichts des Ausbaus des Nordkorridors und angesichts der Veränderung von Schemata der Gaslieferungen für inländische Verbraucher Kapazitäten freigesetzt werden, die überschüssig sind. Gazprom trägt für ihren Unterhalt Betriebsgemeinkosten. Und Gazprom hat derzeit ein Programm zur Optimierung von Gastransportkapazitäten des zentralen Korridors gestartet, demzufolge bis 2020 fast 4.300 Kilometer Ferngasleitungen mit einem Strang stillgelegt und 62 Verdichterhallen mit einer Ausbauleistung von mehr als 3 Gigawatt außer Betrieb gesetzt werden sollen. Was die Transitkapazitäten betrifft, die bis 2020 im zentralen Korridor in Richtung Ukraine bestehen bleiben, so werden diese Transitkapazitäten nach Umsetzung des Optimierungsprogramms zwischen 10 und 15 Milliarden Kubikmetern Gas jährlich betragen. Allein bis 2020 wird Gazprom 1,6 Milliarden US-Dollar an Betriebskosten einsparen.
Das sechste Argument besteht darin, dass die Nord Stream 2 ein höchst profitables Projekt ist. Wir alle begreifen ausgezeichnet, dass Gazprom als Anteilseignerin des Projekts Nord Stream 2 den Transporttarif an sich selbst auszahlen wird. Dabei sei darauf hingewiesen, dass der Transporttarif für die Nord Stream 2 bei 2,1 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter je 100 Kilometer liegt. Der aktuelle Gastransporttarif durch die Ukraine beträgt gegenwärtig 2,5 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter je 100 Kilometer. Das heißt, der Transit durch die Ukraine ist um 20 Prozent kostspieliger, als über die Nord Stream 2. Die Mengen, die dem Projekt Nord Stream 2 für eine Laufzeit von 25 Jahren bei einem Tarif von 2,1 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter je 100 Kilometer zugrundeliegen, werden es der Gazprom ermöglichen, Dividenden von fast 7 Milliarden US-Dollar nach Steuern zu bekommen. Die Erträge unserer Aktionäre – europäischer Unternehmen, die an diesem Projekt beteiligt sind, – werden 7,3 Milliarden US-Dollar betragen.
Wir haben soeben den Tarif von 2,1 US-Dollar für die Nord Stream 2 erwähnt. Wir haben festgestellt, dass die Betriebskosten für den Nordkorridor und das Ferngasleitungssystem Bowanenkowo – Uchta und Uchta – Torschok wesentlich geringer sind, als für den zentralen Korridor. Und dies ermöglicht es uns zu erkennen, dass die Lieferkosten aus Russland nach Deutschland über die Nord Stream 2 um 1,6 Mal niedriger sind gegenüber dem Transit durch das Hoheitsgebiet der Ukraine zu dem derzeitigen Transittarif. Wir haben für die Analyse auch den sogenannten Verrechnungstarif verwendet. Sie alle haben davon gehört, es ist ein Tarif auf dem Niveau von 4,6 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter je 100 Kilometer. Der Verrechnungstarif ermöglicht es der Ukraine, ihr Gastransportsystem zu modernisieren und zu rekonstruieren. Nehme man an, dass die Ukraine so eine Möglichkeit findet, solche Finanzierung findet und dies getan wird, würde der Tarifsatz dementsprechend 4,6 US-Dollar betragen müssen, woraufhin die Lieferkosten für Gas aus Russland, aus unseren Gasförderungszentren nach Deutschland über den Nordkorridor, über die Nord Stream 2 halb so hoch sein werden.
Ein ähnlicher Ansatz anhand des Transporttarifs und der niedrigen Betriebskosten ermöglicht es uns, die Nord Stream 2 auch mit anderen alternativen Routen für Gaslieferungen auf den europäischen Markt zu vergleichen. Gegenüberstellungen mit dem Projekt Shah Deniz 2 in Aserbaidschan, mit LNG-Lieferungen aus den USA und mit der neuen norwegischen Gaspipeline Polarled ergeben, dass die Lieferkosten für unser Gas gegenüber den alternativen Routen zwei- bis dreimal niedriger sind.
Besonders beachtenswert ist das siebente Argument. Es geht darum, dass der Nordkorridor, die Nord Stream, es ermöglicht, Emissionen erheblich zu reduzieren. Das moderne Ferngasleitungssystem ermöglicht es nämlich, Emissionsmengen gravierend zu reduzieren, und wir alle sehen, dass die Ferngasleitungen mit einem Druck von 120 Atmosphären und unsere Gaspipeline Nord Stream 2 mit einem Druck von 220 Atmosphären wesentlich geringere Emissionsraten im CO2-Äquivalent aufweisen.
Bei einem Vergleich mit Lieferrouten für unser Erdgas durch die Ukraine erkennen wir, dass die CO2-Bilanz, umgerechnet auf umweltschädliche Emissionen, auf CO2, fast um 9 Millionen Tonnen höher ist, was eine gewaltige Zahl ausmacht. Innerhalb von 25 Jahren sind das 223 Millionen Tonnen CO2, was etwa mit den jährlichen Emissionen der Niederlande vergleichbar ist. Hauptsache aber, dass die Entschädigung für derartige zusätzliche Jahresmengen mit einer Erweiterung von Waldflächen in Deutschland um 15 Prozent vergleichbar ist.
Man kann einmal sehen, was alternative Energiequellen im Vergleich mit der Lieferung von 55 Milliarden Kubikmetern Gas über die Nord Stream 2 auf den europäischen Markt darstellen. Dies kommt 140 Öltankerfahrten, 645 LNG-Tankerfahrten, 68 neuen Kernkraftblöcken, 250 Kohlekraftwerkblöcken mit einer Leistung von 400 Megawatt, 220.000 Windkraftanlagen und 90.000 Quadratkilometern Maisfelder für die Herstellung von Bioethanol gleich.
Hier sei darauf hingewiesen, dass wenn man die CO2-Bilanz von Kohlekraftwerken analysiert – denn in Europa sehen wir, dass Kohlekraftwerke in letzter Zeit versuchen (oder versucht haben) mit Gas zu konkurrieren – so entspricht die für die Nord Stream 2 alternative Errichtung von 250 Kohlekraftwerkblöcken zusätzlichen Emissionen von 77 Millionen Tonnen jährlich im CO2-Äquivalent.
All unsere sieben Argumente ergeben für Gazprom einen um ein Vielfaches größeren Wirtschaftseffekt gegenüber Gasexporten über den zentralen Korridor auf dem Transitweg durch das Hoheitsgebiet der Ukraine. Die Wirtschaftseffizienz ist je nach dem, wie hoch der Transittarif in der Ukraine ist, 2 bis 2,7 Mal höher. Dies ermöglicht es der Gazprom, binnen 25 Jahren zwischen 45 und 78 Milliarden US-Dollar zu erwirtschaften. Wie Sie verstehen, sind das sehr solide und erhebliche Beträge. Es sind beeindruckende Zahlen. Es geht nicht um Prozente und nicht einmal um dutzende Prozente – es geht schlechthin um eine mehrfach effizientere Route.
Wir hören mitunter, dass man es bei einem Transit von etwa 30 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich durch das Hoheitsgebiet der Ukraine belassen sollte. Wollen wir einmal sehen, was dies aus Sicht der Mehrkosten für Gazprom bedeutet. Für Gazprom stellt der Transit durch das Hoheitsgebiet der Ukraine, ein neuer Vertrag über 30 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich, zusätzliche Betriebskosten über 25 Jahre in einem Umfang von 25 bis 43 Milliarden US-Dollar dar. Und wenn es Befürworter der Unterzeichnung eines derartigen Transitvertrages gibt, so benötigt man immerhin die Antwort auf die Frage: „Wer und wie erstattet der Gazprom diese zusätzlichen Betriebskosten?“ Ferner benötigt man eine Antwort auf die Frage: „Wer setzt seine Unterschrift darunter, dass der Transit von 30 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Ukraine innerhalb von 25 Jahren 112 Millionen Tonnen umweltschädliche CO2-Emissionen nach sich ziehen soll, was den jährlichen CO2-Emissionen eines Landes wie Belgien mit Hauptstadt in Brüssel gleichkommt?“ Wenn eine derartige Variante für Gastransite nach Europa nach Ablauf unseres Transitvertrages, der am 31. Dezember 2019 endet, diskutiert wird, so muss es auf diese Fragen eine Antwort geben.
Die Nord Stream 2 ist ein Projekt, das derzeit streng nach Zeitplan umgesetzt wird, Ausschreibungen finden statt. Unter anderem wurde bereits ein Bieterverfahren für Lieferungen von Rohren für den Offshore-Abschnitt durchgeführt. Gazprom hat vor ein paar Wochen eine auswärtige Sitzung mit russischen Herstellern von Rohren abgehalten. Sie wissen, dass die Aufträge im Rahmen des Bieterverfahrens zur Lieferung von Rohren für die Nord Stream 2 zu 60 Prozent an russische Hersteller von Rohren vergeben worden sind. Deshalb wurde der Ort für unsere traditionelle auswärtige Sitzung mit Vertretern der Rohrindustrie nicht zufällig gewählt: das Rohrwalzwerk in Tscheljabinsk, ein bevorzugter Bieter. Die Rohre werden bereits gefertigt und alles läuft nach Plan.
Demnächst werden Unternehmen bestimmt, die sich mit der Verlegung von Rohrleitungen befassen werden. Damit wird Anfang 2018 begonnen. Das Projekt Nord Stream 2 läuft streng nach Zeitplan. Wir haben keinerlei Zweifel daran, dass zu den geplanten vorgegebenen Terminen – bis Ende 2019 – zusätzliche Kapazitäten in einem Umfang von 55 Milliarden Kubikmetern Gas für transitfreie Exporte aus Russland nach Deutschland durch die Ostsee geschaffen werden.