Rede von Alexey Miller auf dem Petersburger Internationalen Gasforum
Pressemitteilung
In meinen Ausführungen möchte ich auf die Rolle eingehen, die Gas in langfristiger Perspektive für nachhaltige Entwicklung der Weltwirtschaft spielen wird. In der Weltwirtschaft existiert eine Reihe von Problemen, die sich ohne Gas, ohne Vergrößerung seines Anteils an der globalen Brennstoff- und Energiebilanz, ohne Vergrößerung des Umfangs seines weltweiten Verbrauchs nicht bewältigen lassen.
In erster Linie ist dies der wachsende Energieverbrauch durch unaufhaltsames Wachstum der Erdbevölkerung. Die Bevölkerung der Erde zählt gegenwärtig 7,3 Milliarden Menschen und in etwas mehr als 30 Jahren, gegen die Mitte dieses Jahrhunderts, werden es rund 10 Milliarden sein. Ohne Zweifel wird das Welt-Bruttoinlandsprodukt weiter wachsen, dies aber bedeutet, dass Wirtschaftswachstum wachsenden Energieverbrauch bedeutet. Durch welche Ressourcen, durch welche Lagerstätten soll dieser wachsende Bedarf gedeckt werden?
Ein weiteres Problem der Weltwirtschaft besteht darin, dass es führenden Industrieländern an eigenen Energieträgern fehlt. Wenn wir auf die hochentwickelten Länder schauen, wenn wir auf große Wirtschaften der Welt schauen, sehen wir, dass sie alle Netto-Importeure von Gas sind. Dies gilt für Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, die Vereinigten Staaten von Amerika, China, Japan, die Republik Korea und Indien. Ich habe dabei Indien jetzt nicht von ungefähr zuletzt genannt. Unter allen aufgezählten Ländern entwickelt sich der indische Markt in letzter Zeit zu einem dynamisch wachsenden Markt. In den letzten 10 Jahren vergrößerte sich der Importanteil von Gas an der Brennstoff- und Energiebilanz Indiens auf das Anderthalbfache. Gazprom wird im Rahmen ihrer Strategie dem indischen Markt in allernächster Zeit starke Beachtung widmen.
Wir erkennen aber auch sehr wohl, dass ein weiteres Problem der Weltwirtschaft in der Notwendigkeit besteht, den Druck auf die Umwelt zu reduzieren. Erdgas besitzt hierbei ohne Zweifel kolossale Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Energieträgern. Wir wissen, dass die spezifischen СО2–Emissionen pro Energieeinheit im Vergleich zu Erdgas beim Einsatz von Gasöl und Dieselkraftstoff 1,8-mal und beim Einsatz von Kohle mehr als doppelt so hoch sind.
Was begründet aber in erster Linie die Behauptung, dass sich diese Probleme der Weltwirtschaft, diese Herausforderungen der Weltwirtschaft in mittelfristiger Perspektive durch Gas bewältigen lassen? Das sind die riesigen Gasvorräte, die es in der Welt gibt. In allernächster Zeit werden wir stabiles Wachstum des internationalen Gashandels beobachten. Nach unseren Schätzungen werden in den nächsten 25 Jahren die jahresdurchschnittlichen Wachstumsraten beim weltweiten Verbrauch von Gas 3,5 Mal so hoch sein wie die von flüssigen Kohlenwasserstoffen und Kohle. Somit wird der Umfang des Weltkonsums von Gas in buchstäblich 15 Jahren um 30 Prozent gewachsen sein. Ich darf daran erinnern, dass in der Welt momentan rund 3,5 Billionen Kubikmeter Gas im Jahr verbraucht werden.
Dabei müssen wir feststellen, dass Gas im Vergleich zu absolut allen anderen Energieträgern der einzige Energieträger ist, der seine Ressource der Marktglobalisierung bis jetzt nicht ausgeschöpft hat. Globalisierung des Gasmarktes hat begonnen, aber es handelt sich vorerst noch lediglich um große lokale regionale Gasmärkte. Gas als Energieprodukt muss noch eben durch die Ressource der Globalisierung einen sehr ernsthaften Wettbewerbsschritt nach vorn tun.
Ich kann sagen, dass meine Kollegen, die heute hier anwesend sind, die Partner der Gazprom, ganz gewiss ihren Beitrag zur Globalisierung des Weltmarktes für Gas leisten werden. Hier sind heute Leiter von Unternehmen anwesend, die über globale Energiestrategien verfügen. Es gibt noch keinen globalen Weltmarkt für Gas, doch globale Energiestrategien sind bei den Unternehmen bereits vorhanden.
Diese werden bei bilateralen Treffen durch die Unternehmen bereits diskutiert. Heute werden diese Diskussionen im Rahmen unseres Forums gleichfalls eine Fortsetzung finden, und zwar auch zu konkreten Projekten, die umgesetzt werden sollen, um den Gasmarkt in einen globalen Markt zu verwandeln. Dazu ist es zweifelsohne erforderlich, eine neue Infrastruktur, eine neue Gastransportinfrastruktur aufzubauen. Gazprom leistet in dieser Beziehung sehr, sehr viel, und Sie alle kennen unsere Projekte sowohl im Norden als auch im Süden sehr wohl. Hier sollten wir, glaube ich, in erster Linie auf folgendes hinweisen – die Verbraucher von Energieträgern, die Verbraucher von Gas sollten es begrüßen, dass die Produzenten, darunter auch Gazprom, gigantische Mittel investieren, um Erdgas dem Konsumenten zuzustellen.
Schauen wir auf unseren größten Markt in Europa, auf Deutschland, darauf, was dort jetzt passiert, und schauen wir auf den aussichtsreichsten, auf den größten Markt der Welt – auf China.
Auf dem deutschen Markt sind wir seit über 40 Jahren aktiv. Deutschland liegt beim Umfang des Gasverbrauchs auf Platzt eins. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass die Wachstumsraten russischer Gaslieferungen auf den deutschen Markt in buchstäblich allerletzter Zeit jäh gewachsen sind. Das vorige Jahr war ein Rekordjahr: Deutschland erwarb von Russland 45,3 Milliarden Kubikmeter Gas, also über 17 Prozent mehr als 2014. Diese Tendenz hält 2016 an. Binnen lediglich neun Monaten dieses Jahres vergrößerte sich der Gazprom-Export nach Deutschland in absoluten Zahlen um 1,9 Milliarden Kubikmeter Gas. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass 2015 mit seinen Liefermengen ein Rekordjahr war, dass aber das Jahr 2016 das Jahr 2015 übertreffen wird. In diesem Jahr wird ein neuer Rekord aufgestellt werden und Deutschland bleibt absoluter Spitzenreiter im Verbrauch von unserem Gas, das wir nach Europa exportieren.
Dabei sollten wir feststellen, dass Gas – eben Gas – auf dem deutschen Markt selbst 2016 die höchsten Konsumraten aufweist. In den ersten sechs Monaten vergrößerte sich der Umfang des Gaskonsums in Deutschland insgesamt um 6,8 Prozent. Es ist sehr wichtig, diese 6,8 Prozent mit den Wachstumsraten erneuerbarer Energiequellen zu vergleichen – mit diesem Bereich befasst sich Deutschland aktiv, doch sind diese 2016 nur halb so hoch wie das Wachstum des Bedarfs an Gas. Ganz zu schweigen davon, dass Gas in Deutschland ganz genau den Wettbewerb mit Kohle gewinnt.
Schauen wir nun auf den chinesischen Markt. Wir haben einen sehr umfangreichen Vertrag über Gaslieferungen nach China aus Ostsibirien abgeschlossen. Gegenwärtig sind wir dabei, das Projekt Power of Siberia zu realisieren: Es handelt sich um Gaslieferungen im Umfang von 38 Milliarden Kubikmetern im Jahr im Laufe von 30 Jahren. Dies ist der größte Vertrag der Gazprom. Als wir diesen Vertrag unterschrieben, wiesen wir darauf hin, dass Deutschland 40 Jahre gebraucht hatte, um zu solchen Mengen zu gelangen, China indes ein derartiges Volumen beim Einkauf von unserem Gas durch die Unterzeichnung dieses Vertrags binnen eines Tages erzielen konnte.
Schauen wir auf das Potential des chinesischen Marktes. Wir sollten in erster Linie feststellen, dass der Anteil von Gas an der Brennstoff- und Energiebilanz Chinas ein Viertel des Weltdurchschnitts ausmacht. Nur ein Viertel! Und dies bei jenen beachtenswerten Mengen des Gasverbrauchs, die China bereits heute aufweist.
Wie sehen die Perspektiven aus? Ich werde jetzt nicht von irgendwelchen Terminen sprechen, ich werde versuchen, mich einfach auf die Struktur der Brennstoff- und Energiebilanz wie auch ihrer spezifischen Kenndaten zu stützen. Die größten Wachstumssektoren des Gasverbrauchs in China sind Elektroenergie, Wärmeenergie, Wohnungswirtschaft, Industrie- und Geschäftssektor sowie Verkehr.
Elektroenergie: Wenn wir annehmen, dass die Stromerzeugung mit Gas in China ein Drittel der Energiebilanz des Landes erreicht, werden dafür zusätzlich 330 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr benötigt werden. Wenn wir aber auf die spezifischen Kennzahlen des Gasverbrauchs im Wohnungs- und im Geschäftssektor schauen – unter Geschäftssektor meinen wir Gastronomie, Handel und Bürokapazitäten –, und wenn wir annehmen, dass China die durchschnittlichen spezifischen Kenndaten des Gasverbrauchs wie in Deutschland allein in diesen beiden Sektoren erreichen sollte, wird dies rund 550 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr erfordern. Ich weise Sie darauf hin, dass es ohne Industrie, ohne Verkehr und ohne Wärmeenergie bereits rund eine Billion Kubikmeter ist.
Es geht nicht darum, eine konkrete Zahl des potentiellen Wachstums der Verbrauchsmengen in China in mittel- oder in langfristiger Perspektive zu nennen, sondern darum, zu zeigen, dass es einen sehr, sehr großen, aufnahmefähigen Markt gibt. China als Industrieland wird jene Fragen, jene Herausforderungen, mit denen sich die Weltwirtschaft konfrontiert sieht, zweifelsohne ebenfalls mithilfe von Gas angehen. Gas wird ein sehr wichtiger Schlüssel zur Bewältigung dieser Weltprobleme sein.
Die Gasvorräte sind in der Welt so groß, dass sie gestatten, den wachsenden Bedarf an Gas im 21. Jahrhundert voll zu befriedigen. Die Investitionen der Öl- und Gasindustrie der Welt in die Erschließung und Entwicklung von Lagerstätten gingen 2014–2016 jedoch um 25 Prozent zurück. Als Resultat beobachten wir 2016 in der Entdeckung neuer Vorkommen den niedrigsten Stand in der jüngsten Geschichte.
Was sind die Konsequenzen? Die Konsequenzen stellen sich wie folgt dar: Bei aktuellen Weltpreisen für Energieträger lassen sich jene Aufgaben der Weltwirtschaft, die sich allein mithilfe von Gas bewältigen lassen, nicht lösen. Dies bedeutet, dass wir in allernächster Zeit ganz sicher eine steigende Wachstumstendenz bei Energieträgerpreisen in der Welt beobachten werden. Ich betone, dass sich widrigenfalls akute Probleme der Weltwirtschaft, Herausforderungen der Weltwirtschaft nicht bewältigen lassen. Ohne Gas gibt es für deren Lösung keine Wege.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.