Rede von Alexey Miller im Rahmen des Östlichen Wirtschaftsforums 2016

Was die Wettbewerbsfähigkeit der Gazprom betrifft, sollten wir wahrscheinlich in erster Linie Zahlen nennen, welche die Stellung des Konzerns auf dem Markt veranschaulichen. Dies ist vor allem der europäische Markt. Wir haben gegenwärtig mit 31 Prozent den historischen Höchststand unseres Anteils am europäischen Gasmarkt erreicht. Indessen steigt dieser Anteil, was durch die zunehmenden Liefermengen von russischen Gasexporten in die Länder der Europäischen Union nachweislich belegt wird. Seit Jahresbeginn stiegen unsere Exporte gegenüber demselben Zeitraum im Jahr 2015 um 10 Prozent. Wir erwarten, dass wir auch in diesem Jahr Rekordmengen an Gas bei Exportlieferungen in die Europäische Union erzielen werden können.

Dabei sei darauf hingewiesen, dass wir auch eine Wettbewerbssituation verschiedener Brennstoffarten beobachten. Dies trifft sowohl auf den europäischen als auch auf den asiatischen Markt zu, es ist eine Wettbewerbssituation von Kohle und Gas. Im ersten Halbjahr 2016 stieg der Umfang des Gasverbrauchs im europäischen Stromsektor um 16,5 Prozent, im Wettbewerb der verschiedenen Brennstoffarten ist das Gas der Kohle überlegen. Andererseits stellen wir fest, dass sich ein Wettbewerb zwischen den wichtigsten Verbraucherzentren, insbesondere zwischen Europa und den Ländern der asiatisch-pazifischen Region weiterhin entfaltet. Trotz der rückläufigen Preise für verflüssigtes Erdgas am Markt des Asien-Pazifik-Raumes werden Mengen von verflüssigtem Erdgas vom europäischen Markt auf den asiatischen Markt verlagert. Diese Tendenz hält an. Laut Ergebnissen der ersten sechs Monate des Jahres 2016 schrumpften die Liefermengen von verflüssigtem Erdgas aus Katar um 12,4 Prozent – und Sie wissen, dass Katar als größter Lieferant von verflüssigtem Erdgas für den europäischen Markt gilt. Das LNG aus Katar wurde vom europäischen Markt nach Nahost und auf den asiatischen Markt verlagert.

Die asiatisch-pazifische Region ist zweifellos der weltweit dynamischste und am schnellsten wachsende Gasmarkt. Wir sind uns über jene Perspektiven und jene Möglichkeiten, die an diesem Markt bestehen, sehr gut im Klaren. Dabei sollte gleich darauf hingewiesen werden, dass die Ausmaße dieses Marktes sich erheblich vom europäischen Markt unterscheiden, was den Umfang von Geschäften, die abgeschlossen werden, und den Umfang von Geschäften, die verhandelt werden, angeht. Unser größter Gasverbraucher in Europa ist die Bundesrepublik Deutschland, die gelieferten Gasmengen nach Deutschland liegen bei mehr als 40 Milliarden Kubikmetern Gas jährlich. Im vergangenen Jahr wurde eine Rekordzahl von mehr als 45 Milliarden Kubikmetern Gas erreicht. Deutschland brauchte 40 Jahre, um diesen Verbrauchsstand, diesen Umfang von Gasimporten aus unserem Land zu erreichen. Indessen hat die Volksrepublik China im Jahr 2014 buchstäblich innerhalb eines Tages einen Platz neben unseren größten europäischen Käufern eingenommen, indem sie einen Vertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren über den Kauf von 38 Milliarden Kubikmetern Gas unterzeichnet hat. Die Verhandlungen, die Gazprom derzeit mit asiatischen Partnern führt, sind von ihrer Größenordnung her viel umfangreicher, wesentlich umfangreicher, als die Verhandlungen über potentielle Neuverträge für den europäischen Markt.

Die Strategie der Gazprom am asiatischen Markt entspricht den strategischen Zielsetzungen des Konzerns. Dies sind in erster Linie eine Diversifizierung unserer Märkte, eine Diversifizierung von Transportrouten, eine Diversifizierung von erzeugten Endprodukten, die wir an den Markt liefern. Was die Diversifizierung von Märkten betrifft, so schenken wir sehr große Aufmerksamkeit der Entwicklung unserer östlichen Regionen. Unter anderem setzen wir das Östliche Gasprogramm um. Ein Programm, das auf die Entwicklung des Einheitlichen Gasversorgungssystems in der Russischen Föderation abzielt. Dessen vorrangige Aufgabe ist natürlich die Schaffung von Gasförderungs- und Gastransportkapazitäten, um vor allem den Bedarf russischer Verbraucher in diesen Regionen des Landes zu decken. Aber dieses Programm ist auch exportorientiert. Wir sind uns sehr gut darüber im Klaren, dass die Liefermengen von Gasexporten aus dieser Region in die Länder des Asien-Pazifik-Raumes mittelfristig mit Liefermengen von Gasexporten an den europäischen Markt vergleichbar sein werden.

An dieser Stelle sind natürlich in erster Linie der Bau der Gaspipeline Power of Siberia und die Erschließung der Lagerstätte Tschajandinskoje hervorzuheben. Die Umsetzung dieser Projekte läuft streng nach Zeitplan. Hervorzuheben ist der Bau des Gasverarbeitungswerkes Amur. Wir sind uns dessen bewusst, dass wir hier, in Ostsibirien, einerseits neue Möglichkeiten haben, aber die Arbeit in dieser Region weist gewisse Besonderheiten auf. Diese Besonderheiten bestehen darin, dass das Gas in Ostsibirien – aus dem Gasförderungszentrum Jakutien und dem Gasförderungszentrum Irkutsk – mehrere Komponenten enthält, und das bedeutet, dass wir parallel zur Schaffung von Förder- und Transportkapazitäten zeitgleich Kapazitäten für die Gasverarbeitung schaffen müssen.

Somit stellt das Gasverarbeitungswerk Amur mit einer Projektleistung von 42 Milliarden Kubikmetern Gasverarbeitung einerseits eine neue Aufgabe für uns dar, andererseits bietet es uns aber auch neue Möglichkeiten. In diesem Betrieb sollen Ethan und Propan erzeugt werden... Dies ist die Grundlage für die Petrochemie, für einen weiteren Umbau der Petrochemiebranche. Dabei sollte man sich darüber im Klaren sein, dass Produkte der Petrochemie, der Gasverarbeitungsbetriebe heute schon in sehr hohem Maße an den Märkten der asiatisch-pazifischen Region orientiert sind. Derzeit werden Verhandlungen über Konditionen für Lieferungen von Produkten der Gasverarbeitung und Petrochemie an unsere asiatischen Verbraucher geführt. Hier sei ebenfalls auf Möglichkeiten für Exportlieferungen von Helium hingewiesen. Wir realisieren im Rahmen unseres Östlichen Gasprogramms, im Rahmen des Bauprojekts für die Gaspipeline Power of Siberia ein Projekt für den Bau eines Heliumwerkes.

Gazprom verfügt zweifellos über sehr solide Wettbewerbsvorteile. Unser größter Wettbewerbsvorteil besteht in der Tat darin, dass Gazprom über einzigartige Erfahrungen hinsichtlich Gasförderung, –transporte, –speicherung und –vertrieb verfügt. Dieser größte Vorteil ergibt sich aus der Mission, dem Ziel des Gazprom-Konzerns – die Gasversorgung von Regionen der Russischen Föderation in der Herbst- und Wintersaison. Dies ist nämlich unser Ziel. Dieses Ziel ist dermaßen großangelegt und verantwortungsvoll, dass es uns ermöglicht, Fragen unserer Tätigkeit an ausländischen Märkten gar nicht als Ziel, sondern vielmehr als Aufgabe zu betrachten. Wir schaffen Förder- und Transportkapazitäten in erster Linie, um den russischen Winter zu überstehen.

Gazprom liegt derzeit auf Rang eins vor allen Unternehmen weltweit in Bezug auf die erzeugten Gasmengen. Wir liegen auf Rang eins vor allen Unternehmen weltweit in Bezug auf Gasexporte. Wir sind marktführend, was Gaspipelinelieferungen betrifft, und Projekte, die wir umsetzen, sind die fortschrittlichsten in der Gasbranche. Die Ferngasleitungen, die Gazprom gegenwärtig baut, sind die modernsten Ferngasleitungen in der Welt. Hier möchte ich hervorheben, dass der derzeitige Betriebsdruck, den wir erreicht haben und für den die in Bau befindlichen Ferngasleitungen ausgelegt sind, 120 Atmosphären beträgt.

Nun zum asiatischen Markt. An dieser Stelle sei ebenfalls darauf hingewiesen, dass wir unsere Verhandlungen hinsichtlich vieler anderer Endprodukte unserer Betriebe buchstäblich in allerletzter Zeit auf konkreter Ebene führen. In erster Linie würde ich hier Gaskraftstoff und Verhandlungen mit Ländern dieser Region über den Bau von LNG-Werken und die Errichtung eines Netzes von Gastankstellen hervorheben. Dabei würde ich auch die Bedeutung der Verhandlungen und der Aussichten für Energieerzeugung auf der Basis des von uns gelieferten Gases akzentuieren. Und selbstverständlich verflüssigtes Erdgas neben Pipelinelieferungen – diesem Geschäftsfeld galt und wird weiterhin zweifellos unser besonderes Augenmerk gelten. Dazu gehört unter anderem das Projekt zur dritten Ausbaustufe von Sachalin II. Im vergangenen Jahr betrug die Projektleistung dieses Betriebs 10,8 Millionen Tonnen. Wir planen eine Steigerung der Projektleistung dieses Betriebs ums Anderthalbfache. Heute haben wir mit dem Konzern Mitsui ein Memorandum über Zusammenarbeit in Fragen Schiffbunkerung unterzeichnet und erkennen dabei sehr gute Perspektiven. Innerhalb kürzester Zeit werden wir gemeinsam mit Mitsui technische, wirtschaftliche und Marketinguntersuchungen in diesem Bereich unserer Zusammenarbeit vornehmen, der zweifellos zu einem unserer Geschäftsfelder in der asiatisch-pazifischen Region wird.

Alexey Miller sprach auf dem Östlichen Wirtschaftsforum 2016
Alexey Miller sprach auf dem Östlichen Wirtschaftsforum 2016

Alexander Novak und Alexey Miller

Wahrscheinlich sollte auch auf die Rolle hingewiesen werden, die wir mit Blick auf die Integration in die Wirtschaft dieser Region anhand unserer Projekte im russischen Fernen Osten erkennen. Diese Projekte sehen den Einsatz von Hightech-Anlagen vor. Gegenwärtig wurde unseren asiatischen Partnern die Aufgabe gestellt, die Produktion dieser Anlagen in der Russischen Föderation zu lokalisieren. Vorfelduntersuchungen und –arbeiten sind bereits durchgeführt worden, wir erkennen ein sehr großes Potential in Bezug auf die Entwicklung der Produktion von Anlagen für die Gasbranche und auf die Herstellung von verflüssigtem Erdgas in der Russischen Föderation. Dies wird ebenfalls in absehbarer Zukunft zu unseren Prioritäten gehören.

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