Neue Methode zur Kostenreduzierung
26. Oktober 2017
Der Beitrag erschien in der Unternehmenszeitschrift „Gazprom“, Nr. 10. Das Gespräch führte Sergey Pravosudov.
Mikhail Sirotkin, Leiter des Departments 121 der PAO Gazprom, und dessen Stellvertreter Nikolai Tkachenko beantworten Fragen der Zeitschrift.
- Herr Sirotkin, wie ist es dazu gekommen, dass Ihr Ressort, das sich ursprünglich mit Anschaffungen und Kostenreduzierung befasst hat, sich nun unmittelbar am Bau von Objekten beteiligt?
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Das ist keineswegs verwunderlich, denn hier geht es ebenfalls um Kostenreduzierung. Im Februar vergangenen Jahres hat der Vorstandsvorsitzende der PAO Gazprom, Alexey Miller, unserem Department die Aufgabe gestellt, eine Nachverdichterstation für die Öl- und Gaskondensatlagerstätte Sapoljarnoje zu bauen und somit die Methode des Projektmanagements zu testen. Dieses Objekt gehört zu den vorrangigen Projekten des Konzerns und wird gleich nach seiner Inbetriebnahme Anfang 2018 die Spitzennachfrage nach Gas decken. Dies wurde getan, um die Effizienz der Arbeit von Auftraggebern der Gazprom zu steigern und Erfahrungen, die dabei gemacht werden, auf künftige Bauobjekte unseres Unternehmens zu übertragen. Es ist kein Geheimnis, dass Gazprom heute gezwungen ist, radikale Maßnahmen zur Kostenreduzierung zu treffen.
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Einem Investor ist es sehr wichtig, einen Überblick über die reellen Marktwerte sämtlicher Elemente der Kapitalaufwendungen eines Projekts zu haben: Vorfeldarbeiten, Logistik, alle Arten von Bau- und Montagearbeiten, technologische Ausrüstung, Inbetriebnahme- und Einstellungsarbeiten sowie weitere Kosten. Die Nachverdichterstation ist nämlich ein Beispiel für ein Objekt mit „weitgefächertem Spektrum“ der am weitesten verbreiteten Kostenarten, die für alle Bauobjekte des Konzerns typisch sind.
Es ist von vornherein wichtig, den Ressourcenverbrauch eines Nachunternehmens sowie die ausreichenden Geldmittel für den Unterhalt des Verwaltungspersonals eines Auftraggebers korrekt einzuschätzen. Indem ein Investor positive Erfahrungen (oder sogar negative Erfahrungen in Bezug auf einzelne Prozesse) bei der Umsetzung eines Projekts sammelt, hat er die Möglichkeit, ähnliche Arbeiten zu weiteren Projekten maximal effizient und präzise zu planen, die am besten geeigneten Ansätze zu wählen, Ausfallzeiten zu minimieren und die effizientesten Führungsentscheidungen zu treffen.
Zeitgerechte Ansätze
- Warum wurde die Wahl zugunsten des Projektmanagements getroffen? Das funktionsorientierte Managementmodell, das bei Gazprom angewandt wird, hat sich doch im Laufe der Jahrzehnte bewährt?
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Unter den Verhältnissen, die sich ständig verändern, sucht der Konzern nach neuen Managementformen, die es ermöglichen, die Umsetzung von Investitionsprojekten effizienter zu gestalten. Die meisten gegenwärtig angewandten Standardmechanismen der Kontrolle auf Unternehmensebene werden vom Produktionsbereich traditionell an der Einschätzung der Effizienz der Umsetzung eines Projekts oder am faktischen Abschluss dessen einzelner Phasen bzw. am Abschluss eines Projekts orientiert. Bei einem derartigen Ansatz ist die Möglichkeit, die Kernkennzahlen eines Projekts unmittelbar und beizeiten zu beeinflussen, stark eingeschränkt.
Früher wurde der Preis eines Projekts geschätzt und man versuchte, ihn zu reduzieren. Später hat man erkannt, dass das Wesentliche in den Planungs-, Produktions- und Verwaltungsprozessen verborgen ist und vieles von der operativen Koordination der Zusammenarbeit mehrerer Fachbereiche und des Nachunternehmens abhängt. Indessen will ich kein Geheimnis daraus machen, dass unser Hauptziel die Kostenreduzierung war.
Das Leben hat gezeigt, dass es effizienter ist, die Möglichkeit zu gewährleisten, in jeder Phase korrigierenden Einfluss zu nehmen, sobald ein Problem entsteht. Es bot sich die reelle Möglichkeit, Abänderungen im Rahmen des Budgets und zeitliche Einschränkungen zu regulieren und, was besonders wertvoll ist, sie über den sogenannten menschlichen Faktor zu beeinflussen, der zuweilen eine entscheidende Auswirkung auf die Effizienz von Projekten insgesamt hat.
Projektbüro
- Herr Tkachenko, erzählen Sie bitte, wie die Vorbereitung auf den Start des Pilotprojekts lief.
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Wir entwickelten im Detail einen täglichen Plan für die Umsetzung des Projekts bis zum Bauabschluss (für anderthalb Jahre). Vor Beginn der Arbeiten prüften wir sämtliche Elemente der Bau-, Montage- und Facharbeiten zum Projekt sowie verfügbare Materialien und Ausrüstung. Wir wählten die besten Hersteller von Ausrüstung, die bereit waren, sich an alle benötigten technischen Anforderungen der Planungsunterlagen und der Gazprom-Standards zu halten. Alle Entscheidungen wurden mit dem Betreiberdienst abgestimmt.
Es wurden ausschließlich Preise für die Ausrüstung sozusagen „aus erster Hand“ in Betracht genommen. Im Endeffekt wurde der Kostenvoranschlag für die Bauarbeiten und die technologische Ausrüstung (außer Gasverdichteranlagen) um 3,5 Milliarden Rubel gegenüber den Projektkosten reduziert (dies ist um 18 Prozent weniger gegenüber den Projektkosten, selbst nach dem Gutachten). Üblicherweise werden die Projektkosten von Bauobjekten leider im Gegenteil um 15–20 Prozent überschritten.
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Um das Projektmanagement zu implementieren, wurde im Mai 2016 das Projektbüro der PAO Gazprom gegründet. Fachleute wurden aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages für die Umsetzung des konkreten Projekts eingestellt. Mitarbeiter des Projektbüros – es hat eine Belegschaft von nur 16 Personen – üben Funktionen des Auftraggebers und Bauherrn aus (Planung, allgemeine Führung bei der Organisation von Bau- und Montagearbeiten sowie Kostenmanagement).
Im Rahmen des Baus der Nachverdichterstation schloss Gazprom einen ЕРС-Vertrag ab, in dem die komplette Ausführung sämtlicher Arbeiten vorgesehen ist. Zum Hauptunternehmen für die Bauarbeiten wurde die Aktiengesellschaft StroyTransNefteGaz und zum Betreiber Gazprom Dobycha Yamburg.
Ich möchte kurz über das Objekt erzählen. Der leistungsstarke technologische Komplex der Nachverdichterstation liegt auf einer Fläche von mehr als 145.000 Quadratmetern (bzw. 14,5 Hektar) auf der Öl- und Gaskondensatlagerstätte Sapoljarnoje. Er stellt alle benötigten Parameter für Gastransporte aus der komplexen Gasaufbereitungsanlage 3C in die Ferngasleitung (bis zur Hauptverdichterstation) sicher, unter Berücksichtigung des optimalen technologischen Schemas und Einhaltung sämtlicher geltender Normen und Umweltschutzregelungen. Das Gas wird dort komprimiert, gereinigt und gekühlt, das heißt für den Transport durch die Pipeline komplett aufbereitet.
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Der Hauptplaner VNIPIgazdobycha hat alle technischen Lösungen dieses Projekts für eine stabile und sichere Arbeit der Nachverdichterstation im Detail vorbereitet, unter Berücksichtigung langjähriger Erfahrungen beim Bau von Objekten unter den komplizierten Verhältnissen des Hohen Nordens. Zum Komplex der technologischen Systeme und Bauwerke der Nachverdichterstation gehören eine Verdichterhalle mit sechs Gasverdichteranlagen mit einer Leistung von je 16 Megawatt (und zwei Reservefundamenten für Gasverdichteranlagen der zweiten Ausbaustufe), eine Kühlanlage für 33 Sätze von Luftkühlvorrichtungen, eine Gasaufbereitungsanlage, eine Werkhalle für Gasreinigung, ein Produktions- und Betriebsblock, ein Gebäude für Umschaltarmatur, ein Instandsetzungs- und Betriebsblock, eine Lagerhalle für abgefülltes Öl sowie weitere Hilfsbauten im Komplex des Objektes.
Damals wurde dem Team des Projektbüros und dem Hauptunternehmen eine sehr komplizierte Aufgabe gestellt: Sie hatten in kürzester Zeit, nur innerhalb von 18 Monaten (statt des Richtwertes von 30 Monaten), einen vollständigen Komplex von Ingenieurbauten für ein Objekt zur Deckung der Spitzennachfrage zu errichten – vom ersten Rammpfahl bis hin zur Inbetriebnahme und Gaseinspeisung zu vorgegebenen Terminen – im vierten Quartal 2017.
- Wie arbeitet heute das Projektbüro?
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Gemäß Projektmanagementmethoden werden Instrumente der komplexen Soll-Ist-Analyse von Abläufen bei der Implementierung des Projekts eingesetzt. Dabei sind plausible Informationen und ein tägliches Monitoring die Kernelemente aller Phasen des Projektmanagements.
Im Rahmen des Projektbüros trifft der Auftraggeber gemeinsam mit dem Nachunternehmen ständig sämtliche erforderliche Maßnahmen, um entstehende Risiken und Probleme operativ aus dem Weg zu räumen, ohne dass dafür zusätzlicher Briefverkehr benötigt wird. Wir entwickeln gemeinsam Lösungen, um die Planungsqualität der Projekte zu erhöhen und die geschäftlichen Vorgänge zu beschleunigen (die Leistung der eingesetzten Teams zu steigern). Die täglich eingehenden operativen Informationen haben zur Folge, dass die Führungskräfte sich in das Projekt vollkommen einarbeiten.
Im Endeffekt sind wir auf die Ideologie des Programmmanagements umgestiegen. Bei der Umsetzung des Pilotprojekts hat das Department die Zusammenarbeit mit der VNIPIgazdobycha in der ersten Phase der Etablierung eines BIM-Modells aufgenommen. Es geht um die Entwicklung eines 3D-Modells des im Bau befindlichen Objekts, angebunden an den detaillierten Zeitplan. Dabei ist es gelungen, mehrere Unstimmigkeiten festzustellen und zu beheben, wodurch Mehrkosten bei der Ausführung von Bau- und Montagearbeiten ausgeschlossen wurden und Verwaltungskosten des Auftraggebers um 42 Prozent reduziert werden konnten.
Unsere Mitarbeiter erfahren jeden Tag im Echtzeitmodus, in welcher Phase sich der jeweilige Prozess der Ausstattung und der Bauarbeiten befindet. Die Fachkräfte managen das Projekt strategisch, ohne abzuwarten, dass der Anfangs- bzw. Endtermin eines Prozesses scheitert. Der gesamte Arbeitsumfang und dessen kritische Punkte vom Anfangs- bis Enddatum sind nach Tagen gegliedert und werden anhand des detaillierten Plans der Projektumsetzung täglich nachvollzogen. Das maximale Bautempo wird ohne Verstöße gegen die Technologie der Arbeitsvorgänge gewährleistet. Im Projektmodell kommen die besten Praktiken der Gazprom zum Einsatz.
Synergieeffekt
- Was für Vorteile hat das Projektmodell außerdem?
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Die Ausfallzeiten sind bei diesem Projekt gegenüber den klassischen 20–25 Prozent durchschnittlich auf fünf Prozent geschrumpft, was es ermöglicht, einen Großteil der Kosten des Nachunternehmens auszuschließen. Die Termine für den Arbeitsbeginn bleiben unverändert, wir folgen streng dem vorgegebenen Zeitplan.
Darüber hinaus sind der Festpreis und die Rentabilität sowohl für Gazprom als auch für das Hauptunternehmen zufriedenstellen. Bei einer Preissenkung um fast 20 Prozent werden beste Ausrüstung und Materialien für die Baustelle eingesetzt. Ich möchte besonders betonen, dass es uns bei diesem Projekt gelungen ist, die höchste Schweißqualität gemäß Anforderungen der Bauaufsicht gegenüber ähnlichen Baustellen zu gewährleisten.
Sehr wichtig ist, dass dieses Projekt angesichts seiner detaillierten Aufarbeitung und der Beteiligung aller Mitglieder des Projektteams am Bauprozess (einschließlich Betreiber) bei der Abnahme nicht festfahren wird (wie das üblicherweise der Fall ist) und während des Betriebs nicht an Effizienz einbüßt.
- Herr Sirotkin, läuft denn wirklich alles so reibungslos, wie Herr Tkachenko erzählt? Entstehen denn gar keine Probleme?
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Natürlich gibt es gewisse Schwierigkeiten, aber das ist normal. Denn Modelle des funktionsorientierten Managements und des Projektmanagements unterscheiden sich gravierend voneinander. Für Gazprom sind das neue Erfahrungen: ein Übergang von der Verantwortung, die durch bewilligte Funktionen beschränkt ist, zur Verantwortung für ein Paket ständig wechselnder Aufgaben. Die gewonnenen Erfahrungen sind nützlich und ich hoffe, dass sie bei anderen Projekten des Konzerns angewandt werden.
- Kann man heute behaupten, dass dieses „Experiment“ gelungen ist?
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Das Projektmanagement ist ein effizientes und bewährtes Verwaltungsmittel in der weltweiten und russischen Praxis bei der Umsetzung von Investitionsprojekten zu vorgegebenen Terminen und im Rahmen des genehmigten Budgets. Wir haben bislang den Bauumfang des Objekts zu 98 Prozent geleistet, Hydrotests an den montierten Systemen sind abgeschlossen und die Inbetriebnahme- und Einstellungsarbeiten „im Leerlauf“ nähern sich ihrem Ende. Der derzeitige schlüsselfertige Zustand des Bauobjekts ermöglicht es uns, die Gaseinspeisung zu den vorgegebenen Terminen für die abschließenden Arbeitsphasen und die Tests technologischer Systeme und Gasverdichteranlagen „unter Belastung“ zu gewährleisten. Die Umsetzung des Projekts soll im Dezember 2017 abgeschlossen werden.
Auf diese Weise vervollkommnet Gazprom unter den Bedingungen strenger Budgeteinschränkungen, aufgrund neuer Ansätze die Kontrolle über Kosten und Effizienzsteigerung von Arbeiten, um den bezogenen Gaspreis zu senken und die Bauzeiten zu optimieren, ohne dass darunter die Produktqualität leidet.