Zeit der Rekorde
23. November 2017
Der Beitrag erschien in der Unternehmenszeitschrift „Gazprom“, Nr. 11. Das Gespräch führte Sergey Pravosudov
Alexander Medvedev, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der PAO Gazprom, beantwortet Fragen der Zeitschrift
- Herr Medvedev, wie viel Gas ist in diesem Jahr bereits exportiert worden und zu welchem Durchschnittspreis? Welche Kennzahlen in Bezug auf Menge und Preis erwarten Sie laut Ergebnissen 2017?
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Laut bisherigen Daten betrugen die Gasliefermengen der Gazprom aufgrund der Verträge von Gazprom Export in den ersten drei Quartalen 2017 ins nahe und ferne Ausland 139,4 Milliarden Kubikmeter, das heißt zehn Prozent mehr gegenüber demselben Zeitraum des Jahres 2016. Deshalb werden die Jahresergebnisse ganz sicher den Rekord vom Vorjahr überbieten und wir werden bestimmt einen neuen, nicht weniger beeindruckenden Rekord setzen. Der Durchschnittspreis in den neun Monaten dieses Jahres lag bei rund 190 Dollar pro 1.000 Kubikmeter. Von den Jahresergebnissen erwarten wir ungefähr dasselbe Niveau.
Zunehmende Nachfrage
- Womit lassen sich die zunehmenden Gasexporte in diesem Jahr erklären?
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Unsere zunehmenden Gasexporte sind durch mehrere Faktoren bedingt: Vor allem durch wettbewerbsfähige Preise und nicht preisbedingte Lieferkonditionen, durch die sich erholende Nachfrage nach Gas in Europa hauptsächlich im Sektor der Stromerzeugung und durch die schrumpfende Eigenförderung. Ein weiterer Faktor, der zu einer gesteigerten Abnahme von russischem Gas beiträgt, ist der niedrige Stand von Gasvorräten in europäischen Untertagespeichern und die Notwendigkeit, sie vor Beginn der Heizsaison aufzufüllen.
- Wie schätzen Sie die Perspektiven für Gasexporte im Jahr 2018 und mittelfristig ein?
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Am europäischen Gasmarkt vollzogen sich in den letzten Jahren und vollziehen sich weiterhin wesentliche Strukturwandlungen. Die Infrastruktur wird ausgebaut, Spielregeln werden präzisiert, neue Lieferanten steigen ein. Zugleich trifft Europa grundsätzliche Entscheidungen in Bezug darauf, wie seine Energiewirtschaft in Zukunft aussehen wird. Kurzfristig kann man auch von einer verstärkten Preiskonkurrenz, hauptsächlich zwischen maßgeblichen Lieferanten, sprechen. Es freut mich, feststellen zu können, dass Gazprom sich unter diesen Verhältnissen wohl fühlt. Unser Gas ist wettbewerbsfähig, und wir haben die Möglichkeit Mengen zu vermarkten, die die vertraglichen Mindestverpflichtungen überbieten. Unsere weiteren Vorteile sind erhebliche explorierte Gasvorräte, funktionierende und in Bau befindliche Kapazitäten für Gasförderung, –transport und –speicherung sowie ein Portfolio mit langfristigen Exportverträgen.
Langfristig gesehen, wird die Eigenförderung von Erdgas in den europäischen Ländern weiterhin schrumpfen, und das wird zusätzliche Importlieferungen verlangen. Obwohl in einigen Medien die künftige Konkurrenz mit Lieferungen von verflüssigtem Erdgas (LNG) aus den USA befürchtet wird, zeugt der derzeitige Zustand des Marktes davon, dass die hohen Kosten des vollen Produktionszyklus und der Transporte von LNG aus Nordamerika mit anschließender Regasifizierung seine Exporte nach Europa weiterhin beschränken werden.
Auch das Entwicklungsprojekt für den Südlichen Gaskorridor wird sich mittelfristig nur beschränkt auf den Markt auswirken. Die vertraglichen Mengen von aserbaidschanischem Gas aus dem Projekt Shah Deniz 2 werden sechs Milliarden Kubikmeter jährlich für die Türkei und zehn Milliarden Kubikmeter jährlich für die EU-Länder betragen. Somit wird der Anteil von aserbaidschanischem Gas laut Schätzungen keine drei Prozent am europäischen Markt übersteigen.
Wir sind überzeugt, dass der überwiegende Teil des nach Europa importierten Gases auch in Zukunft aufgrund von langfristigen Exportverträgen geliefert werden wird. Allerdings begnügen wir uns nicht damit, sondern erweitern unsere Präsenz im Segment kurzfristiger Verträge und Spot-Geschäfte.
LNG, LPG und Helium
- Wie viel LNG soll 2017 exportiert werden? Wohin gehen hauptsächlich diese Lieferungen?
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Erstens ist das Jahr noch nicht abgeschlossen, deshalb wäre es leichtfertig, irgendeine präzise Prognose für Ergebnisse in einem Geschäftsbereich, in dem sich alles im Echtzeitmodus ändert, anzustellen. Vorläufig wird laut Ergebnissen von drei Quartalen dieses Jahres ein geringer Rückgang der Lieferungen gegenüber den Rekordkennzahlen des Vorjahres fixiert, aber im vierten Quartal erwarten wir, dass der Handel sich erholt. Dabei beteiligen wir uns weiterhin aktiv an Ausschreibungen und erweitern unser Handelsportfolio. So schloss Gazprom in diesem Jahr einen Vertrag zu LNG-Lieferungen nach Ghana ab. An dieses westafrikanische Land sollen beachtliche Mengen von rund 1,7 Millionen Tonnen jährlich geliefert werden. Darüber hinaus wickelten wir im September eine LNG-Teillieferung nach Spanien ab. Bei Gazprom war es üblich, die Märkte des kontinentalen Europas von den Märkten der Pyrenäenhalbinsel zu trennen, da wir in diese Länder kein Pipelinegas liefern. Heute kann man sagen, dass Gazprom dank LNG Geschäftsbeziehungen auch zu diesen traditionellen Verbrauchern von LNG aufgebaut hat.
Wenn man über Richtungen für LNG-Lieferungen im Jahr 2017 spricht, so gilt als Hauptverbraucher die asiatisch-pazifische Region, auf die mehr als 80 Prozent der Lieferungen entfallen. Die restlichen Mengen gehen in den Nahen Osten und an andere Märkte. In den drei Quartalen dieses Jahres wurden an die Weltmärkte 2,2 Millionen Tonnen LNG geliefert.
- Erzählen Sie bitte über Pläne in Bezug auf den Absatz von Gas als Kraftstoff für Fahrzeuge und Schiffe. Was für eine Infrastruktur soll für die Entwicklung dieses Geschäfts geschaffen werden?
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In Europa entwickeln wir eine Infrastruktur auch für die Nutzung von komprimiertem Erdgas (CNG) für den Straßenverkehr, von LNG für den Straßenverkehr, von Kraftstoff für die Bunkerung von Übersee- und Flussschiffen sowie für die autonome Gasversorgung von Verbrauchern, die an keine Gasnetze angeschlossen sind. Derzeit besitzt die Gazprom-Gruppe in Europa über 60 Erdgastankstellen sowie zwei Kryotankstellen und plant, das Erdgastankstellennetz für den Straßenverkehr weiterhin auszubauen.
Wir entwickeln die Infrastruktur für die Herstellung von klein- und mitteltonnagigem LNG. Gegenwärtig wird in der Ostseeregion das LNG-Projekt in der Verdichterstation Portowaja weiterhin umgesetzt. Ferner werden Investitionen für den Bau eines LNG-Betriebs in der Gegend um die Schwarzmeerküste begründet. Wir evaluieren auch die Möglichkeit für den Bau eines LNG-Betriebs im russischen Fernen Osten.
- An welche Märkte sollen Produkte des Gasverarbeitungswerkes Amur und der Heliumanlage geliefert werden? Was für eine Logistikinfrastruktur muss für diese Lieferungen geschaffen werden?
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Die Gaspipeline Power of Siberia wird Ende 2019 in Betrieb genommen. Ab 2021, nach Abschluss der Bauarbeiten am Gasverarbeitungswerk Amur, werden Lieferungen von Produkten dieses Betriebs – Flüssiggase (LPG) und Helium – an ausländische Märkte erfolgen. In Russland besteht eine geringe Nachfrage nach „reinen Fraktionen“ von Propan und Butanen, deshalb soll ein Großteil von LPG – bis zu 1,3 Millionen Tonnen jährlich – exportiert werden.
Wir haben verschiedene Richtungen für den Absatz geprüft und sind zu der Schlussfolgerung gelangt, dass es vorteilhafter wäre, LPG aus dem Gasverarbeitungswerk Amur an Ländern der asiatisch-pazifischen Region in gekühltem Zustand zu liefern, wozu spezielle Gastanker einzusetzen sind. Die hohe Warenqualität und die Nähe des Terminals zu Märkten der asiatisch-pazifischen Region werden es Gazprom ermöglichen, mit Lieferanten aus dem Nahen Osten und den USA erfolgreich zu konkurrieren.
LPG wird vom Gasverarbeitungswerk Amur in Zisternen über die Eisenbahnstrecke in den Hafen Wanino geliefert, wo ein spezielles Terminal mit einer Kapazität von zwei Millionen Tonnen jährlich errichtet wird. Dies wird möglicherweise das größte LPG-Terminal für isotherme Zustandsänderung von Erdgas in Russland sein. Wir besprechen derzeit mit dem Betreiber dieses Projekts die vertraglichen Konditionen für den Güterumschlag, arbeiten weiterhin an der Hochseelogistik und dem Bau eines Gastankers der Eisbrecherklasse und verhandeln mit potentiellen Käufern.
Die Heliummengen, die im Gasverarbeitungswerk Amur hergestellt werden, sollen gegen 2027 bis zu 60 Millionen Kubikmeter jährlich betragen oder bis zu einem Drittel vom gegenwärtigen weltweiten Verbrauch und werden hauptsächlich an Länder der asiatisch-pazifischen Region geliefert. Die Heliumexporte werden in speziellen Containern für kryogene Stoffe über Häfen im Fernen Osten erfolgen.
Wir haben Ausschreibungen durchgeführt und schließen jetzt die Unterzeichnung von Exportverträgen zu Heliumlieferungen ab. Im Endergebnis werden den Marktteilnehmern zuverlässige und reibungslose Lieferungen von russischem Helium im Laufe von 20 Jahren zugesichert. Wir sind überzeugt, dass dies zur gesteigerten Nachfrage nach Helium, zur Entwicklung und Einführung neuer Arten für dessen Verwendung in angewandten Bereichen der Medizin, Physik, Weltraumbranche und Atomindustrie beitragen wird.
Nord Stream 2
- Wie sehen die Perspektiven für GASCADE aus? Wann soll der Bau der Gaspipeline EUGAL beginnen?
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In den letzten Monaten arbeitete GASCADE aktiv an der Entwicklung des Bauprojekts zur Gaspipeline EUGAL. Diese 485 Kilometer lange Ferngasleitung mit einer Kapazität von 55 Milliarden Kubikmetern jährlich wird parallel zur bestehenden Pipeline OPAL von Greifswald in Deutschland bis Olbernhau an der Grenze zu Tschechien verlegt. Betreiber europäischer Gastransportnetze zeigen großes Interesse für dieses Projekt. Im Zuge der Verhandlungen wurden für das Projekt neue Partner gewonnen, die fast die Hälfte der Beteiligungen erworben haben (49,5 Prozent). Am 30. September 2017 wurden Vereinbarungen über die Beteiligung der Fluxys Deutschland GmbH, der Gasunie Deutschland Transport Services GmbH und der ONTRAS Gastransport GmbH an diesem Projekt unterzeichnet. GASCADE überträgt auf jeden Partner eine Beteiligung von 16,5 Prozent am Projekt EUGAL und behält 50,5 Prozent.
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Diese Vereinbarung ist ein wichtiges Zeichen für die Unterstützung des Projekts nicht nur seitens der Geschäftskreise, sondern auch seitens der westeuropäischen Regierungen. Es spricht auch dafür, dass Erdgaslieferungen über die Nord Stream 2 es ermöglichen werden, die Energiesicherheit in West- und Mitteleuropa zu stärken und Lieferrouten angesichts der zunehmenden Nachfrage zu diversifizieren.
Mit der Umsetzung des Projekts für die EUGAL wurde bereits begonnen: Die ersten Rohre wurden in die Städte Lubmin, Drögeheide und Prenzlau für die Lagerung entlang der Trasse der künftigen Gaspipeline geliefert. Die GASCADE wird mit der Verlegung der Ferngasleitung beginnen, nachdem sie die Baugenehmigung erhalten hat, was Mitte 2018 zu erwarten ist.
- Wird Ungarn Gas aus der Nord Stream 2 beziehen können oder geht es ausschließlich um die Fortsetzung der TurkStream?
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Angesichts unserer aktuellen Pläne zur Umsetzung von Infrastrukturprojekten und angesichts der Erweiterung von nationalen Gastransportsystemen fassen wir Gaslieferungen an Verbraucher in Ungarn vor allem über den Onshore-Teil der Gaspipeline TurkStream ins Auge. Bei Bedarf können auch Lieferungen über alternative Routen erfolgen. Wichtig ist, dass der Markt der Gastransportkapazitäten in Europa ausgebaut wird, und das ist gut. Dadurch werden Verbraucher in Ungarn auch zu dem Gas, das über die Nord Stream 2 an den Hub Baumgarten geliefert werden soll, Zugang erhalten.
- Während der Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream wurde die Errichtung eines Gas-Hubs in Sankt Petersburg avisiert. Was ist in diesem Bereich gelungen? Werden demnächst Auktionen für den Gashandel veranstaltet?
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Wir haben den Mechanismus des Auktionshandels getestet, sind damit zufrieden und schließen nicht aus, dass wir in Zukunft neue Auktionen für den europäischen Markt veranstalten werden. Aber wozu sollen wir versuchen, auf diese Weise zusätzliche Mengen zu verkaufen, solange unsere Lieferungen aufgrund langfristiger Verträge Rekorde setzen? Hier läuft ohnehin alles gut. Was den Gashandel anbelangt, so schaffen wir derzeit einen eigenen Fachbereich, der in diesem Geschäftsfeld tätig sein wird. Sie werden bald erfahren, wie sich seine Tätigkeit gestalten wird.
- Plant Gazprom Gas an ausländische Abnehmer gegen Rubel zu verkaufen?
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Diese Zeit wird bestimmt eintreten, aber gegenwärtig verkaufen wir zu den Konditionen, die für alle Partner am vorteilhaftesten sind. Heute wird ein Großteil der Geschäfte weltweit in Euro und Dollar abgewickelt.
Iran, Indien, Japan
- Plant Gazprom mit iranischem Gas zu arbeiten?
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Iran ist heute, meines Erachtens, für alle internationalen Öl- und Gasgesellschaften interessant. Wenn ein Land mit so riesigen Öl- und Gasvorräten internationale Investoren einlädt, wie sollte das kein Interesse wecken? Wir haben bereits gewisse Erfahrungen einer Zusammenarbeit mit dem Iran gesammelt. In diesem Jahr hat Gazprom Memoranden über eine eventuelle Beteiligung an der Ausbeute von vier Lagerstätten im Iran unterzeichnet. Derzeit erhält die künftige Zusammenarbeit von Gazprom und Iran Gestalt.
- Erzählen Sie bitte über Pläne zu Gaslieferungen nach Indien. Können sie durch eine Pipeline erfolgen oder werden nur LNG-Lieferungen ins Auge gefasst?
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Der indische Markt weist in den letzten Jahren die weltweit höchsten Wachstumsraten auf. Langfristig ist sein Fassungsvermögen riesig. Vorläufig muss jedoch dieser Markt sich herausbilden und dabei wichtige Phasen durchlaufen – in erster Linie die erforderliche Infrastruktur errichten und rechtliche Rahmenbedingungen schaffen. Im vergangenen Jahr unterzeichnete Gazprom ein Memorandum über die Möglichkeit von Gaslieferungen nach Indien. Wir haben mit dem indischen Engineeringunternehmen Engineers India sämtliche eventuelle Optionen für Lieferrouten aufgearbeitet und sie der indischen Regierung vorgelegt. Heute werden diese Optionen geprüft. Aber meiner Ansicht nach, hat LNG gegenwärtig auf dem indischen Markt viel größere und interessantere Perspektiven. Pipelinegas nach Indien stellt vorläufig ein Zukunftsprojekt dar.
- Ist der Bau einer Gaspipeline nach Japan möglich?
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Japan ist der weltweit größte Verbraucher von LNG und ein Markt mit Preisen der Premium-Klasse. Dies allein spricht für das Fassungsvermögen des Marktes und für Absatzaussichten. Uns ist jedoch auch eine andere Besonderheit des japanischen Gasmarktes bekannt, nämlich seine nicht ausreichend entwickelte Infrastruktur. Gewissermaßen dient dies als ein Hemmfaktor. Aber als großer Gasverbraucher ist Japan im Allgemeinen daran interessiert, die Preise für Importgas zu senken und eine Gaspipeline aus Russland zu bauen. Die JOGMEC, die für die Umsetzung des Projekts aus japanischer Seite zuständig ist, bereitet derzeit erforderliche Machbarkeitsstudien vor, unter anderem in Bezug auf die Möglichkeit, technische und Umweltrisiken zu minimieren. Danach können Gespräche über eine konkrete Gestaltung geführt werden. Sehr vieles wird auch von den Entwicklungsperspektiven für Atom- und Kohlekraftwerke in Japan abhängen.
- Wann soll die dritte Ausbaustufe des LNG-Werkes von Sachalin II und Vladivostok LNG in Betrieb genommen werden?
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Was das LNG-Werk Sachalin II betrifft, so unterzeichnete Gazprom im Juni 2015 ein Memorandum mit Royal Dutch Shell, in dem der Bau der dritten technologischen Strecke des Betriebs mit einer Kapazität von 5,4 Millionen Tonnen jährlich vorgesehen ist. In diesem Dokument sind Termine für ingenieurtechnische Arbeiten und für die Umsetzung des Projekts sowie weitere Schritte hinsichtlich der Investitionsentscheidung bestimmt. Um die dritte technologische Strecke voll auszulasten, soll Gas aus dem Projekt Sachalin III verwendet werden. Gegenwärtig befinden wir uns in der FEED-Phase, nach deren Abschluss Sakhalin Energy die endgültige Investitionsentscheidung vorbereiten wird, um die dritte technologische Strecke des Werkes in den Jahren 2023−2024 in Betrieb zu nehmen.
Insgesamt gestattet es die Ressourcenbasis des Gasförderungszentrums Sachalin, sich nicht nur auf ein Projekt zu beschränken. Indessen bietet die asiatisch-pazifische Region große Perspektiven für die Nutzung von LNG als Kraftstoff für den Straßen-, Hochsee- und Flussverkehr sowie für die autonome Gasversorgung. In diesem Zusammenhang evaluieren wir die Möglichkeit, ein LNG-Werk in der Gegend um Wladiwostok für mitteltonnagige Gaslieferungen nach China, Japan und andere Länder dieser Region zu bauen. Wir arbeiten derzeit an der Gestaltung dieses Projekts.
- Wann kann Baltic LNG seine Arbeit aufnehmen und auf welche Märkte wird es ausgerichtet sein?
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Gegenwärtig arbeitet Gazprom gemeinsam mit Shell an der Vorbereitung der pre-FEED-Studie zum Projekt Baltic LNG. Dieses Werk mit einer Kapazität von zehn Millionen Tonnen wird 2022–2023 in Betrieb genommen. Das Projekt ist vor allem auf die Märkte der Länder des Nahen Ostens, Südasiens und Lateinamerikas ausgerichtet.
Derzeit erstellen Gazprom und Shell eine gemeinsame Machbarkeitsstudie, um grundlegende technische Lösungen für das Projekt Baltic LNG zu bestimmen, woraufhin die Aufgabenstellung für die Vorbereitung der Planungsunterlagen und des FEED formuliert wird. Nach der Vorbereitung dieser Unterlagen wird auch der Termin für die Inbetriebnahme des LNG-Werkes gesetzt.
Amerikanisches Gas
- Wird amerikanisches LNG mit russischem Pipelinegas auf dem europäischen und chinesischen Markt konkurrieren können?
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In den nächsten Jahren werden neue Projekte in den USA einen weiteren Faktor darstellen, der sich auf den LNG-Markt auswirken wird. Das Gesamtvolumen der dort in Bau befindlichen Kapazitäten für die Gasverflüssigung beläuft sich auf ca. 90 Milliarden Kubikmeter jährlich. Diese Projekte sind fast vollständig vertraglich abgedeckt. Eine Besonderheit derartiger „amerikanischer Verträge“ sind Lieferungen zu FOB-Bedingungen, was dem Käufer von US-amerikanischem LNG geografische Freiheit bei der Wahl des Endmarktes bietet. Dadurch wird zum maßgeblichen Faktor des Exportpotentials der USA die Preiskonjunktur an den Absatzmärkten. Betreiber von Gasverflüssigungsterminals sind gegen Verlustrisiken dadurch abgesichert, dass deren Verträge zu Konditionen „verflüssige oder zahle“ abgeschlossen sind und verbindliche Bezahlungen voraussetzen, welche die Aufwendungen für die Infrastruktur abdecken, während die Käufer von LNG am Terminal Preisrisiken bei dessen Weiterverkauf am Endmarkt tragen.
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Unter den aktuellen Marktverhältnissen liegt der volle Preis für amerikanische LNG-Lieferungen an den europäischen Markt im Winter 2017/2018 in einer Bandbreite von 265–295 Dollar pro 1.000 Kubikmeter, was wesentlich höher ist gegenüber den aktuellen Preisen und Termingeschäften an europäischen Hubs und gegenüber den Preisen für russisches Gas. Auf diese Weise ist eine LNG-Lieferung über ein Terminal mit Weiterverkauf in Europa ein Verlustgeschäft für den Käufer von Gas. Laut Schätzungen der meisten Experten werden für amerikanisches LNG Märkte in Asien und Lateinamerika besonders attraktiv sein, wo das Preisniveau höher ist, als in Europa. Zugleich erwarten Experten, dass der europäische Preis nicht ausreichen wird, um die Aufwendungen für Lieferungen von nordamerikanischem LNG sowohl kurz- als auch langfristig vollständig zu decken.
In Bezug auf Lieferungen nach China ist vor allem wichtig, dass wir einen Vertrag haben, demzufolge Gazprom ab Dezember 2019 an die CNPC 38 Milliarden Kubikmeter Gas im Laufe von 30 Jahren liefern wird. Darüber hinaus sind die geografische und infrastrukturelle Spezifik von China und die Transportkosten innerhalb des Landes zu berücksichtigen. Im Nordosten und in der Hauptstadtregion – das sind nämlich die Hauptzentren des Verbrauchs von russischem Gas, das über die Ostroute geliefert werden soll – wird amerikanisches LNG keine Konkurrenz für uns darstellen.
- Erzählen Sie bitte über Pläne zur Leistungssteigerung von unterirdischen Gasspeichern im Ausland.
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Wir avisieren vor allem, die planmäßige Aufstockung von Kapazitäten in europäischen Speichern abzuschließen. Das sind der UGS Katharina in den Salzkavernen in Deutschland und der UGS Damborice in Tschechien. Gemeinsam mit unseren Partnern suchen wir nach Wegen für die Erweiterung und Modernisierung bestehender UGS. So wurde zum Projekt des UGS Banatski Dvor ein Memorandum über die Steigerung der aktiven Speicherkapazität auf mindestens 750 Millionen Kubikmeter unterzeichnet. Beratungen über einen möglichen Ausbau des UGS Haidach sind im Gange.
Im Allgemeinen wird die Umsetzung neuer UGS-Projekte von der Inbetriebnahme der Gastransportkapazitäten der Nord Stream 2 und der TurkStream für Exportlieferungen abhängen. Denn Kapazitäten für die Gasspeicherung sollen flexible und zuverlässige Lieferungen sicherstellen. Da wir aber an unserem größten Projekt im Osten arbeiten – an bevorstehenden Gaslieferungen in die VR China – erstellen wir heute einen Plan für die Errichtung kommerzieller UGS-Kapazitäten in China.